Alles Framing?

Alles Framing?

Alles Framing? 1222 813 Andreas Scheuermann

Der Wunsch nach Gestaltungsmacht durch Sprache zeichnet Führungskräfte in Politik und Wirtschaft gleichermaßen aus. Und ähnlich stark sind beide ab einer gewissen Hierarchieebene auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit angewiesen. Doch Beeinflussung durch Sprache funktioniert nicht so leicht, wie manche sich das vorstellen.

Ob Wählergunst,  Verbrauchervertrauen oder die Stimmung an der Börse – das Denken einer Menge mehr oder weniger intensiv informierter Menschen wird zum  Erfolgskriterium.

Der Wunsch, das Denken des Publikums beeinflussen zu können, liegt nahe.

Weil man aber Denken und Einstellungen nicht einfach bestimmen oder kaufen kann, kommt es auf eine andere Dimension an: Die Macht der Worte, die Macht der Begriffe, die Macht der Sprache.

Neuerdings ist nicht zuletzt dank Elisabeth Wehling auch dem breiteren Publikum ein Begriff bekannt, der die Fantasie der Mächtigen, Machtdurstigen oder Ohnmächtigen gleichermaßen beflügelt: Das Framing. Wehling knüpft an, wo der amerikanische Lingusitik-Professor Georg Lakoff über Jahrzehnte Grundlagenarbeit geleistet hat. In seinem Bestseller „Don’t think of an Elephant“ umreißt er das Konzept des Framings und liefert im ersten Satz seiner Einleitung die folgende Definition:

„Frames are mental structures that shape the way we see the world“. (Georg Lakoff)

Es klingt nach einer Zauberformel. Und in der Tat schießen derzeit die Zauberlehrlinge wie Pilze aus dem Boden.

Naive Vorstellungen, wie Begriffe wirken

Die naive Vorstellung dabei funktioniert so: Ich erfinde einen neuen Begriff oder verwende einen bestehenden Begriff, um einen Sachverhalt in meinem Sinne mit einer bestimmten Bedeutung aufzuladen oder umzudeuten. Sie suchen ein Beispiel, dann schauen sie sich einfach mal in ihrem Unternehmen um. Es gibt keine „Probleme“ mehr, nur noch „Herausforderungen“. Sie haben auch einen „Wachstumskurs“, bei dem alles wächst, nur nicht die Belegschaft?

Nicht minder strengt man sich in der Politik an, ein gewünschtes „Denkergebnis“ vorzuliefern. Besonders beliebt: Gesetzen einen Namen geben, die eine gewünschte Wirkung aufzeigen. Eher harmlose Kostproben: Finanzmarktsabilisierungsgesetz (2008), Pflegestärkungsgesetzt (gleich dreimal seit 2015). Der Ansatz ist alles andere als neu. Und das schrecklichste Beispielen dürfte zweifelsohne aus dem Jahr 1933 stammen: Das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, umgangssprachlich auch Ermächtigungsgetz genannt. Die politische Kommunikation ist geradezu uferlos mit ihren Versuchen der Umdeutung oder Wortneuschöpfungen, von denen man sich Wirkung erhofft.

Ein aktuelles Beispiel hat der bayrische Ministerpräsident Söder geliefert, als er den Begriff vom „Asylgehalt“ in die öffentliche Diskussion einbrachte. Ein kurzer Blick in den Duden: Das Wort existiert dort nicht. Wenn wir unterstellen, dass es sich nicht um einen „Versprecher“ handelt, sind wir also gezwungen, dem Begriff selbst eine Bedeutung zuzuordnen. Was genau meint Söder, wenn der von einem „Asylgehalt“ spricht. Kritiker wie der Floskelwolke-Blogger Udo Stiehl argumentieren, Söder wolle mit diesem Framing „Realität verschieben“ und Asylbewerber verunglimpfen. Es drängt sich der furchteinflößende Eindruck auf, die Erschaffung eines einzelnen Begriffs würde ausreichen, Menschenmassen manipulativ aufzuwiegeln und fehlzuleiten. Doch dem ist nicht so.

Drei Irrtümer mit Blick auf Framing

Grund genug, drei Fehleindrücke im  Umgang mit dem Begriff „Framing“ zu korrigieren.

  1. Es gibt keine Reaktions-Automatik.
    Elisabeth Wehling beschreibt in Ihrem Buch eindrucksvoll die wissenschaftlichen Erkenntnisse rund um die Wirkung von Sprache. Man gewinnt leicht den Eindruck, wir würden auf jegliches sprachliche Signal wie der Pawlow‘sche Hund auf den Glockenton reagieren. Doch findet nicht jede Informationsaufnahme und Verarbeitung unbewusst oder unterbewusst, und damit unreflektiert statt. Es ist u.A. eine Frage des „Involvement“, der Verarbeitungstiefe eines Begriffes, wie wir als Empfänger mit diesem Begriff umgehen. Wir sind sehr wohl in der Lage, zu erkennen, ob wir eine andere Vorstellung haben oder gar manipuliert werden sollen. Ferner ist die Wirksamkeit des „Framing“ davon abhängig, dass dem Begriff und seiner Intention tatsächlich eine gewisse Relevanz zukommt, der Begriff auch Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. Wir müssen also auch ein Interesse am oder eine Betroffenheit beim Thema haben. Schließlich ist die regelmäßige Absicht von Kommunikation, verstanden zu werden. Ein Großteil der Menschen wird sich beispielsweise den Begriff „Asylgehalt“ nicht zu eigen machen und ihn auch nicht selbst verwenden, weil er einen Sachverhalt eben gerade nicht zutreffend wiedergibt. Der Begriff dürft also nur  dort für die zielgerichtete Kommunikation geeignet sein, wo man sich sehr stark emotional mit oder gegen Söder und seine Einstellung identifiziert.

Ein weiterer Grund, weshalb die landläufige Einordnung von Framing zu kurz greift:

  1. Die Bestimmung eines Frames liegt nicht primär in der Macht der Kommunizierenden.
    Die Einordnung eines Begriffs in einen Rahmen setzt voraus, dass der Sender und der Empfänger des Begriffs dieselbe Vorstellung (Codierung) von diesem Begriff haben. Sehr oft beruht unsere Kommunikation allerdings auf einem vermuteten, bestenfalls gut antizipierten Empfängerhorizont. Dort wo wir regelmäßige und widerspruchsfreie Kommunikation haben, dürfen wir davon ausgehen, dass wir verstanden werden. Aber gerade dort, wo Denken mittels einer absichtsvoll gestalteten Sprache beeinflusst und verändert werden soll, begeben wir uns auf unsicheres Terrain. Wir wollen mit der Sprachgestaltung ganz bestimmte Assoziationen wecken und eine ganz bestimmte Einordung auslösen. Wir gehen dabei aber von unserer eigenen Vorstellungswelt und den dort vorhandenen Bedeutungszuschreibungen aus. Dies muss aber nicht die Vorstellungswelt der Adressaten sein. Mit anderen Worten: Wer sich einen Begriff ausdenkt und diesem eine gewollte Bedeutung und Wirkung unterstellt, unternimmt erst einmal ein Experiment. Und dessen Ausgang ist alles andere als sicher.

Unmittelbar hieraus ergibt sich die dritte Fehleinschätzung zum Framing:

  1. Es gibt nicht den einen Frame, sondern viele verschiedene.
    Jeder Mensch sammelt jeden Tag Eindrücke, macht Erfahrungen, erlangt Wissen, erlebt Gefühle. So entstehen zahlreiche Assoziationen unterschiedlichster Intensität und Konnotation. Einfacher ausgedrückt: Nicht alle machen die gleichen Erfahrungen, nicht alle haben dieselben Bilder im Kopf. Und so bedeutet ein bestimmtes Wort für Sie vielleicht etwas anderes, als für mich. Man denke nur an das (gar nicht so) einfache Kinderspiel vom „Teekesselchen“, bei dem man ein Wort beschreiben muss, das mehrere Bedeutungen haben kann: Der Spiegel kann im Bad hängen oder am Kiosk ausliegen. Ein weiterer Aspekt: Wir wissen oft nicht, in welcher Situation, Gemütsverfassung, oder Involviertheit wir Menschen erreichen, wenn wir mit ihnen kommunizieren. Und schließlich können bei einer Person sogar unterschiedliche Frames zeitgleich konkurrieren. Insofern unterliegen Frames – wie auch Images – einer ständigen Dynamik und regelmäßigen Justierung im Alltag. Den einen beabsichtigten Frame, der nur darauf gewartet hat, angesprochen zu werden  – es gibt ihn nicht.
Framing sollte auf gesicherter Erkenntnisbasis vorgenommen werden

Lakoff und Wehling beschreiben Framing auf einer politischen Meta-Ebene und erwecken beim unbedarften Leser dabei oft genau dieses generalistische Verständnis von Begrifflichkeiten.

In der angewandten Praxis ist Framing jedoch deutlich komplizierter, und nicht ohne eigenen, themenbezogenen Forschungsaufwand zu betreiben.

Wir haben es mit den unterschiedlichsten Stakeholdern, Zielgruppen, Communities und Lebenswelten zu tun, die alle ihre eigenen Muster, Regeln oder Codes – ihre eigene Sprachwelt – kennen. Framing als sozialwissenschaftliche Technologie wird erst dann im Sinne der eigenen Vorhaben wirksam, wenn Sie auf der Basis gesicherter Erkenntnisse dazu angelegt ist.

Ist Framing zulässig?

Bleibt zum Schluss wie so oft die Moralfrage. Ist Framing zulässig? Ist Framing Manipulation? Zweimal „Ja“. Letztendlich ist jede Form der zielgerichteten Kommunikation eine beabsichtigte Manipulation. Sie müssen sich selbst die Frage stellen: Möchte ich Menschen durch diese technologische Möglichkeit schlicht im Sinne meiner Interessen in die Irre führen, oder möchte ich eine bessere Erkenntnis, Einordnung und Einsicht zu einem Sachverhalt ermöglichen?

Für die zweite Variante stehen wir Ihnen gerne beratend zur Verfügung. Für die erste Variante müssen Sie damit rechnen, dass es genügend kluge Leute gibt, die sie durchschauen.

 

Foto: warayoo/fotolia