Begrifflichkeiten rund um Shared Leadership

Begrifflichkeiten rund um Shared Leadership

Begrifflichkeiten rund um Shared Leadership 2560 1706 Randolf Jessl

Führung zu teilen macht zunehmend Schule. Randolf und Thomas haben dazu im Haufe Verlag ein umfassendes Praktiker:innenbuch veröffentlicht („Shared Leadership. Zu mehr Engagement und besseren Entscheidungen dank geteilter Führung“, 2023). Doch oft leiden Gespräche zu geteilter und verteilter Führung darunter, dass Begrifflichkeiten durcheinandergehen. Wir klären darüber auf, welche Modelle es gibt und welche Begriffe rund um Shared Leadership im Umlauf sind.

Wichtig zu verstehen ist: Es gibt nicht das eine Modell, Führung zu teilen. Es gibt vielmehr ein Kontinuum im Modus von Führung und Zusammenarbeit, das von klassischer hierarchischer Führung durch eine disziplinarische Führungskraft bis zur kompletten Selbstorganisation in Gruppen ohne Beteiligung einer disziplinarischen Führungskraft reicht.

Dabei nimmt der Grad an Eigenverantwortung und die Größe des Entscheidungs- und Gestaltungsraums auf Seiten des Teams kontinuierlich zu und die Involvierung der formalen Führungskraft kontinuierlich ab. In diesem Kontext sind auch die einzelnen Begrifflichkeiten zu beleuchten.

Glossar geteilte Führung
(unter zweien)

Von „geteilter Führung“ sprechen wir mit Blick auf Shared Leadership-Modelle, in denen sich zwei formale Führungskräfte eine disziplinarische Führungsposition teilen. Folgende Begrifflichkeiten sind im Umlauf.

Doppelspitze
Das ist die gebräuchlichste Bezeichnung für zwei Personen, die gemeinsam Führung übernehmen und Verantwortung für ein Unternehmen, ein Team oder eine Aufgabe tragen. Meist umfasst die Doppelspitze zwei Führungskräfte, die gemeinsam Verantwortung tragen, aber klar voneinander abgetrennte Kompetenzbereiche haben. Ein Beispiel hierfür ist ein:e Hauptgeschäftsführer:in und ein:e kaufmännische:r Geschäftsführer:in. Aber auch ein:e Ärztliche:r Direktor:in und ein:e Verwaltungsdirektor:in einer Klinik erfüllen diese Kriterien.

Co-Leadership
Dieser Begriff sollte sich für geteilte Führung mehrerer Personen auf einer disziplinarischen Führungsposition mittelfristig durchsetzen. Dazu könnte auch das Grundlagenwerk von Stefanie Junghans und Janina Schönitz unter dem Titel „We love Co-Leadership. Jobsharing als Antwort auf eine veränderte Arbeitswelt“ (Vahlen, 2023) beitragen. Die beiden Verfasserinnen geben hier umfangreich Einblick in praxiserprobte Modelle geteilter Führung. Stefanie Junghans hat auch zum Co-Leadership-Kapitel in Randolfs und Thomas‘ Haufe-Buch beigetragen.

Topsharing
Diese Bezeichnung vermittelt in etwa dasselbe wie Co-Leadership und spielt mit der Assoziation „Jobsharing auf Topebene“. Der Begriff ist daher ebenfalls gut geeignet, den Unterschied zur klassischen Doppelspitze aus zwei klar voneinander abgegrenzten Führungsjobs zu unterstreichen.

 

Glossar verteilte Führung (im Team)

Von „verteilter Führung“  sprechen wir mit Blick auf Shared Leadership-Modelle, in denen von einer disziplinarischen Führungskraft einzelne Führungsaufgaben ins Team delegiert werden oder von Teammitgliedern mit Billigung der Führungskraft spontan übernommen werden. Diese Übernahme von Führungsverantwortung kann temporär oder dauerhaft erfolgen und durch entsprechende Titel („people lead“, „business lead“ et cetera) veranschaulicht werden.

Hierunter fallen aber auch Modelle der kompletten Selbstorganisation, die auf formale Führungskräfte ganz verzichten (das beschreiben Randolf und Thomas in ihrem Buch am Beispiel des holländischen Immobilienkredit-Vermittlers Viisi). Solche Modelle gehen oft auf Ansätze der Holakratie („holacracy“) oder Soziokratie („sociocracy“) zurück.

Folgende Begrifflichkeiten sind im Umlauf.

 

Distributed Leadership
Dieser Begriff betont die Verteilung der Führungsaufgaben. Er bietet sich daher besonders dort an, wo im Team Führungsaufgaben klar voneinander abgegrenzt werden und durch Titel hervorgehoben werden. Das klassische Scrum-Framework mit Product Owner, Scrum Master und Team-Mitglied ist hierfür ein Beispiel. Aber auch der gemischte Vorstand aus Chief Executive Officer, Chief Sales Officer, Chief Finance Officer et cetera fiele darunter.

Collective Leadership
Dieser Begriff unterstreicht die kollektive Wahrnehmung von Führung – und das meist im Wechsel. Er wird von den Leadershipforschern Sigrid Endres und Jürgen Weibler in ihrem Buch „Plural Leadership. Eine zukunftsweisende Alternative zur One-Man-Show“ (Springer, 2019) für die Spielart verteilter Führung verwendet, die den höchsten Grad an Verflüssigung von Führungsrollen aufweist. Für dieses Modell wird häufig auch die Metapher der „Jazz Combo“ verwendet. Unser Auctority „CollActive Leadership Programm“ spielt hierauf an.

Kollegiale Führung
Dieser Begriff lässt sich auf das Grundlagenwerk von Bernd Oestereich und Claudia Schröder „Das kollegial geführte Unternehmen. Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen“ (Vahlen, 2017) zurückführen. Dieses Buch ist nach wie vor Maßstab für alle systemischen Aspekte rund um die Einführung und Praxis verteilter Führung in Organisationen.

Collaborative Leadership
Dieser Begriff ist eng verwandt mit den beiden vorgenannten und unterstreicht ebenfalls den Aspekt, dass Führung in diesem Modell eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Das weltweit maßgebliche Project Management Institute (PMI) verwendet diesen Begriff zur Beschreibung eines zeitgemäßen Führungsstils in Projekten.

Team-based Leadership
Auch dieser Begriff ist in einer Reihe mit den vorgenannten Begrifflichkeiten zu sehen. Der finnische Teamtrainer und Agile Coach Karl-Johan Spiik wandelt diesen Begriff in einem nützlichen Praxisratgeber zu „community-led leadership“ ab („Community-led Leadership. How Shared Leadership Is Created and What Its Repuirements Are”; Karlex, 2023).

Shared Ownership
Dieser Begriff betont die Verantwortungsübernahme durch weitgehend selbstorganisierte Teams und wurde im Zuge der schlagzeilenträchtigen Reorganisation des Bayer-Konzerns unter Bill Anderson bekannt. Ob er sich halten und positiv besetzt sein wird, bleibt abzuwarten.

Jedership
Eine originelle Abwandlung des hier thematisierten Vokabulars prägte der Berliner Teamcoach Alexander Keller. Er nennt sein Buch, das sich ebenfalls mit Ideen und Praktiken verteilten Führens auseinandersetzt: „Jedership. Warum Führung alle etwas angeht“ (Selbstverlag; 2. Auflage, 2021).

 

Glossar verwandter Begrifflichkeiten

Zuletzt sind im Zusammenhang mit Modellen des geteilten und verteilten Führens noch folgende Begrifflichkeiten relevant, da sie in einem theoretischen und praktischem Zusammenhang mit Modellen des Shared Leadership stehen.

 

Emergent Leadership
Shared Leadership ist die Bezeichnung, unter der vor allem die wissenschaftliche Leadership-Forschung Phänomene des verteilten Führens untersucht. Eng hiermit verwandt sind Phänomene, wie sich Führung in Gruppen herausschält, wenn sie nicht durch formale Führungsrollen markiert und vorherbestimmt ist. Diese Forschung wird unter dem Schlagwort „emergent leadership“ betrieben.

Empowering Leadership
Dieser Führungsstil kann als Voraussetzung dafür gesehen werden, dass Shared Leadership in Gruppen oder Organisationen überhaupt gelingt. Forschung der St. Galler Leadershipexpertin Heike Bruch und Kollegen konnten das in Studien nachweisen (LINK). Thomas und Randolf gehen auf Empowering Leadership in ihrem Buch ausführlich ein.

Servant Leadership
Dieser Begriff wird gerade in agilen Kontexten für eine Führungshaltung verwendet, die Elemente des Empowering Leaderships beinhaltet. Er geht auf Aufsätze des US-amerikanischen Managementvordenkers Robert Greenleaf zurück und ist ebenfalls geeignet, die Anforderungen an disziplinarische Führungskräfte in Modellen des Shared Leadership zu umschreiben.

 

Weitere Information und Unterstützung

Wenn Sie mehr zum Thema wissen wollen oder bei der Einführung bzw. der effektiven Umsetzung von Modellen geteilter und verteilter Führung Beratung, Training, Coaching oder Unterstützung brauchen, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.